Über Kendo

Ursprung

Kendō als Weg verfolgt nicht nur die Techniken und Taktiken des Schwertkampfs, sondern auch die geistige Ausbildung des Menschen. Die Übenden sollen durch Kendō vor allem Charakterfestigkeit, Entschlossenheit und moralische Stärke erlangen.

Kendō ist immer einem gewissen Wandel unterworfen gewesen. Kendō, wie es heute betrieben wird, gibt es im Groben seit etwa Mitte des 19. Jahrhunderts. Manche Ursprünge sind weit älter und manche Änderungen sind noch relativ jung. Oft wird die Geschichte des Kendō mit der Geschichte des Schwertkampfs in Japan gleichgesetzt, was unter Berücksichtigung des Sprachgebrauchs des Worts Kendō in der japanischen Sprache nicht falsch ist. Im Folgenden wird nur auf die Entwicklung des modernen Kendō eingegangen.

Die Entwicklung wurde von verschiedenen historischen Schwertschulen beeinflusst. Es ist heute nicht mehr bis ins letzte Detail nachvollziehbar, welche Koryū-Kenjutsu Schulen alle an der Entwicklung beteiligt waren, aber ein paar Schlüsseleinflüsse sind heute allgemein anerkannt. Zu den bekanntesten zählen die Jikishinkage-ryū, Nakanishiha Ittō-ryū und die Hokushin Ittō-ryū. Diese drei Schulen trugen durch ihr Gekiken-Training (撃剣) (freies Duell-Training mit Shinai und Bogu) am Ende der Edo-Periode stark zur Verbreitung dieses Freikampftrainings bei und schufen so die Grundlage auf der heute das moderne Kendo basiert.

  • Der Begriff „Kendō“ wurde am Beginn des 18. Jahrhunderts eingeführt. Damit wurde impliziert, dass neben der eigentlichen Technik durch Kendō ein gewisser Lebensweg zu verfolgen ist. (Abe-Ryu)

  • Einen der wesentlichen Einflüsse sagt man Naganuma Shirozaemon nach, der um 1715 eine Schutzausrüstung und das Shinai, welches zum Teil das Bokutō ablöste, erfunden haben soll. (Jiki-Shinkage-Ryu)

  • Nakanishi Chuta hat das durch seinen Lehrer, Ono Chuichi, verwendete Fukuro Shinai Mitte des 18. Jahrhunderts verbessert und schuf das Vier-Segment-Shinai (Yotsuwari-Shinai) in ähnlicher Form, in der es heute noch verwendet wird. Die Schutzausrüstung entwickelte sich in der Zeit mehr und mehr zu dem heute noch verwendeten Bōgu. (Itto-Ryu)

  • Chiba Shūsaku Narimasa, Gründer der Hokushin Ittō-ryū Hyōhō, welcher durch die Größe und Beliebtheit seiner Schule am Ende der Edo-Zeit stark zur Verbreitung des Trainings mit Shinai und Bogu beitrug. Viele Koryū übernahmen bald diese neue Art von Gekiken-Training (撃剣), welche es ermöglichte relativ realistische Duelle mit sehr geringer Verletzungsgefahr zu üben.

  • Mit dem Ende des Tokugawa-Shōgunats 1867, welches über zwei Jahrhunderte überdauerte, wurde die Kriegerkaste abgeschafft. Anstatt von den Samurai wurde Kendō nun überwiegend von den Polizeikräften ausgeübt.

  • Kendō wurde 1911 in japanischen Schulen als Pflichtfach eingeführt und verbreitete sich dadurch überall. Kritiker sagen, dass man Kendō benutzte, um aus japanischen Jungen bessere Soldaten im Dienste des Kaisers zu machen.

  • Die Dai-Nippon Teikoku Kendō Kata, welche im Wesentlichen der heutigen Nihon Kendō Kata entspricht, wurde 1912 entwickelt, um eine Vereinheitlichung zu bewirken. Dabei orientierte man sich sehr an den Formen der Schwertschulen, die das Ende des Shōgunats überdauerten, und sie weist z. B. gewisse Ähnlichkeiten mit der Kata des Shinkage-Ryu auf.

  • Mit der Vereinheitlichung des Kendō zu Beginn des 20. Jahrhunderts fielen viele regional unterschiedliche Aspekte weg. Zuvor war Kendō von Provinz zu Provinz oftmals stark von den Stilen der verschiedenen ortsansässigen Koryū geprägt gewesen. Bis zur Wiedereinführung des Kendō nach dem Zweiten Weltkrieg verschwanden zudem nach und nach viele der ehemals gefährlichen Techniken aus den Kenjutsu-Wurzeln des Kendō, z. B. Ringen, Würfe, Fußfeger und Bodenkampf und Trefferzonen wie der obere Bereich des Brustpanzers. Auch die Ausübung der Angriffstechniken veränderte sich nach und nach bis 1952, als die oft groß ausgeführten Techniken im Kampf nun hauptsächlich klein wie heute ausgeübt wurden. Auch das Wechseln der Kamae während eines Kampfs war üblich. Um die Unterschiede zwischen dem heutigen und dem Kendō vor 1952 deutlich zu machen, spricht man auch hier gerne von „Pre-War Kendō“ (dt. Vorkriegskendō).

  • Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden viele Kampfkünste in Japan verboten. Für kurze Zeit wurde statt Kendō das Shinai Kyōgi praktiziert. Mit der Aufhebung dieses Verbots 1952 wurde der Alljapanische Kendō-Verband (Zen Nihon Kendō Renmei) gegründet. Dieser Verband widmet sich dem Erhalt und der Vereinheitlichung von Kendō und steuert gegebenenfalls kleine Änderungen (z. B. in der Kata).


Kendo im modernen Japan

Kendō wird in Japan heute sehr intensiv betrieben. Neben Sumo und Baseball ist es wohl eine der beliebtesten Sportarten überhaupt. Sehr verbreitet ist Kendō neben Judō als Schulsport und Universitätssport.

In Universitäten unterteilen sich die Kendo-Gruppen in jeweils einen Club (剣道部 kendōbu) und ein oder mehrere Zirkel (サークル sākuru). Die Clubs stellen dabei die repräsentative Vereinigung der jeweiligen Universität dar und können Fördergelder ihrer Universität erhalten. Aufgrund dieser Funktion ist die Erwartungshaltung entsprechend hoch, trainiert wird fast täglich. Die Zirkel hingegen sind Privatvereine und dürfen ihre Universität nicht offiziell repräsentieren. Es wird normalerweise nicht so häufig wie in Clubs trainiert und auch die Intensität bzw. Niveau des Trainings ist meist geringer.

Nach der Universität geht es dann meist in den Vereinen der jeweiligen Firmen weiter, allerdings ist die Abbruchquote nach der Universität eine der höchsten. Große Förderung erfährt Kendō durch den Polizeisport. Polizisten, die sich dem Kendō verschreiben, können täglich, manchmal mehrmals täglich, als Teil ihres Dienstes trainieren.

Turniere gibt es auf allen Ebenen: Schul-, Universitäts-, Stadt-, Firmenturniere etc.


Kendo in Europa

Seit 1974 gibt es Europäische Meisterschaften, die damals zum ersten Mal in Bletchley, England, stattfanden. Nach Deutschland kam Kendō Mitte der sechziger Jahre und fand zunächst unter Judō-Ausübenden erste Anhänger. Anfang der achtziger Jahre kam es nach Österreich und 1985 wurde in Wien die Austrian Kendō Association (AKA) gegründet. Eine ähnliche Entwicklung ist heute beim Naginatadō in Deutschland zu beobachten, welches seine Anhänger vorwiegend unter Kendōka findet. Kendō erfreut sich in Europa zunehmender Beliebtheit. Dafür verantwortlich war die Auseinandersetzung mit der japanischen Kultur und dem Wunsch nach einer Erklärung für den wirtschaftlichen Erfolg Japans. Heute findet man zahlreiche Vereine, in denen dieser Sport praktiziert werden kann, und auch verschiedene Universitätssportgruppen haben Kendō in ihrem Programm.

Das Dōjō

Die Halle in der das Kendo-Training stattfindet wird als Dōjō bezeichnet. Der Ursprung stammt aus dem Buddhismus und bedeutet: „Ort an dem asketische Ausbildung auf Grundlagen des Buddhismus stattfindet“. Dem entsprechend wurde/wird dieser Bereich als heiliger und spiritueller Trainingsort hoch respektiert. Heutzutage ist das Dōjō ein Ort an dem die Kampfkünste gelehrt und ausgeübt werden.

Ein Merkmal das in verschiedenen Dōjō oft vorgefunden wird ist der „Kamidana“, ein Miniatur-Schrein/Hausaltar zu Ehren der Dōjō-Schutzheiligen, oder aber ein Banner/eine Kalligraphie auf dem der Dōjō-Name /Dōjō-Leitsatz geschrieben steht. Der Platz im Dōjō der für den Sensei (Lehrer) oder angesehene Gäste reserviert ist, wird „Kamiza“ oder „Joseki“ (Hochsitz) genannt.

Die Traditionen im Kendo erfordern die strikte Einhaltung der Dōjō -Etikette von allen. Durch das Einhalten strenger Verhaltensregeln werden die im Training/Zweikampf generierten (aggressiven) Gefühle unter Kontrolle gehalten. Dadurch wird verhindert dass Kendo in wilde und unkontrollierte Aggression ausartet. Ziel ist es unter allen Umständen eine ruhige u. gelassene Geisteshaltung aufrecht zu erhalten und die Selbstkontrolle nicht zu verlieren.

Im Kendō gibt es das Sprichwort:

rei-ni-hajimari-rei-ni-owaru“

was bedeutet

„Kendo beginnt mit rei und endet mit rei“

(rei = Benehmen/Verhalten welches den Respekt für den Gegner zu Ausdruck bringt).

Damit wird zum Ausdruck gebracht wie außerordentlich wichtig das Benehmen ist, mit dem wir unserem Gegner/Trainingspartner Respekt entgegen bringen.


Reihō (Etikette)

Im Kendō gibt es zahlreiche Verhaltensregeln, Reihō genannt, die teils aus historischen und teils aus praktischen Gründen entstanden sind und bis heute beibehalten werden. Die Ursprünge liegen in den in Japan üblichen Verhaltensweisen, etwa der Verbeugung zur Begrüßung, und haben buddhistische, konfuzianistische und auch shintoistische Wurzeln.

Folgende Regeln sind Standard, können sich aber auch von Dōjō zu Dōjō leicht unterscheiden:

  • Rechtzeitig vor Trainingsbeginn im Dōjō erscheinen – die Zeit für das Umkleiden und das Herrichten der Ausrüstung (Bōgu, Shinai usw.) mit einkalkulieren.

  • Das Dōjō wird nur barfuß betreten. Also Schuhe in den Umkleideräumen oder vor dem Halleneingang ausziehen.

  • Beim Betreten oder Verlassen des Dōjō verbeugt man sich aus Respekt und zu Ehren des Trainingsortes in Richtung „Kamidana/Kamiza“.

  • Transportiere deine Kendō-Ausrüstung in einer respektvollen Weise und platziere sie in einer sicheren und korrekten Position auf dem Dōjō-Boden.

  • Kontrolliere vor Trainingsbeginn, dass der Hallenboden sauber u. sicher ist.

  • Die Rüstung sollte im Dōjō nur in “Seiza” angelegt oder nachjustiert werden.

  • Shinai u. Bōkutō sind die Trainingswaffen im Kendō. Obwohl nur aus Bambus/Hartholz gefertigt, sollten sich Respekt und Umgang damit nicht von einem richtigen Katana unterscheiden, d.h.:

- Shinai oder Bōkutō nicht auf die (Klingen-)Spitze gestellt an die Wand lehnen - wenn dann auf das Griffende stellen

- nicht als Stütze oder Gehstock verwenden

  • Zeige stets Respekt gegenüber dem Sensei, anderen Dōjō -Mitgliedern und dem Dōjō.

  • Der/die Sensei sitzt/sitzen auf der Seite des Dōjō die “Kamiza (Joseki)“ genannt wird. Alle anderen Kendōka sitzen dem/den Sensei in einer Linie gegenüber. Die Linie beginnt mit dem höchstgraduierten Kendōka, der am weitesten vom Dōjō-Eingang entfernt sitzt. Alle anderen Kendōka folgen dann, die hochrangig Graduierten zuerst, die niedriger Graduierten am Ende der Linie. Es können aber auch andere Faktoren wie das Alter berücksichtigt werden.

  • Nicht vor sondern hinter sitzenden Kendōka vorbei gehen. Falls dies unvermeidbar ist, verbeuge dich leicht und strecke die rechte Hand nach vorne wenn Du vorbeigehst.

  • Nicht über ein abgelegtes Shinai oder Bōkutō steigen, sondern außen herum gehen.

  • Nicht die abgelegte Rüstung anderer Kendōka zur Seite schieben, es sei denn man hat vorher um Erlaubnis gefragt und der Eigentümer ist damit einverstanden.

  • Vor Beginn und am Ende jeder Übung/Trainingseinheit zum Trainingspartner/Gegner hin verbeugen

  • Während des Trainings stehen die höher graduierten Kendōka auf der Sensei-Seite (Kamiza/Joseki-Seite) des Dōjō, den niedriger graduierten Kendōka gegenüber.

  • Falls das Shinai oder die Rüstung während des Trainings nachjustiert werden muss, wird das dem Trainingspartner durch das Anheben der rechten Hand signalisiert. Anschließend wird das Shinai in stehender Position (Ōsame-tō) weggesteckt. Die Nachjustierung wird in Seiza sitzend, an einem Platz der den Trainingsablauf der anderen Kendōka nicht stört, durchgeführt. Dein Trainingspartner/Gegner wartet unterdessen bis die Nachjustierung erfolgt ist, dann verbeugen sich beide erneut und nehmen das Training wieder auf.

  • Informiere den Trainingsleiter falls man das Dōjō während des Trainings verlassen muss. Es zeugt von guten Manieren wenn man den Sensei/Sempai darüber informiert warum man geht, insbesondere wenn man sich nicht wohl fühlt und evtl. medizinische Hilfe notwendig werden sollte.

  • Während des Trainings sollte es keine Gespräche zwischen den Kendōka geben. Die begrenzte Zeit der Trainingseinheit sollte ausschließlich dem Lernen dienen, hinterher ist genug Zeit für ein Gespräch oder Diskussionen.

  • Falls entspanntes Sitzen erlaubt wird, sitze mit gekreuzten Beinen und geradem Rücken. Sorge dafür dass die Füße/Fußsohlen durch das Hakama verdeckt sind.

  • Persönlichen Dank gegenüber dem/den Sensei oder den Trainingspartnern bringt man mit einer Verbeugung in Seiza zum Ausdruck.

  • Das finale Rei markiert das Ende jeder Trainingseinheit, die Kendō-Studenten können daraufhin das Dōjō verlassen. Jedoch sollte die Kendō-Ausrüstung vor dem Verlassen des Dōjō ordnungsgemäß weggepackt werden.